Sudetendeutscher Heimattag 2014
Festansprache von Mag. Othmar Karas in Klosterneuburg (2)
Alle Fotos © Alfred Nechvatal
In seiner großen Rede stellte Karas das besondere Jahr 2014 als ein Jahr vieler Gedenktage und Jubiläen in den Mittelpunkt und stellte besonders den Vertretern der Stadt Klosterneuburg ein sehr gutes Zeugnis für die Patenschaftsübernahme aus – aber vor allem daß sie noch nach 50 Jahren lebt – denn Katherina von Siena hat gesagt: „Nicht das Beginnen wird belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten.“
Dazu zitierte der Redner “Angela Merkel bei Ihrer Rede anlässlich des „Tag der Heimat“ am 30.08.2014 in Berlin: „Der Einsatz für die Sache der Vertriebenen ist nicht alleine Aufgabe der Vertriebenen. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sich für die Anliegen der Vertriebenen einzusetzen und die Erinnerung an ihr Schicksal wach zu halten.“
Karas betonte, daß vor allem beide Weltkriege das Schicksal der Sudetendeutschen maßgeblich bestimmte, dagegen begann bereits im 6. Jhdt. die Besiedlung durch germanische Stämme in den dünn besiedelten Randgebieten, wo die tschechischen und deutschen Bewohner zwar nicht ohne Spannungen aber gewaltfrei lebten. 1918/1919 kam es zur militärischen Besetzung um dann fortzufahren: „Die Ausbrüche der Weltkriege und vor allem jeweils deren Ende besiegelten das tragische Schicksal der Sudentendeutschen, was 1945 und 1946 in deren Vertreibung aus ihrer Heimat gipfelte.
Bis Ende 1946 wurden 2,8 Millionen, der bis dahin im Lande lebenden 3,2 Millionen Sudetendeutschen, vertrieben. Die Vertreibung brachte nicht nur die Enteignung des Hab- und Gutes mit sich, sondern forderte auch tausende Todesopfer, direkt bei der Vertreibung oder auch als Folge dieser. Wenige (ca. 250.000) konnten in der Heimat bleiben - oder mussten bleiben, weil sie Fachkräfte waren und die Tschechoslowakei nicht auf sie verzichten wollte. Doch auch sie wurden enteignet und rund zwei Drittel verließen später das Land als Aussiedler.
Umso großartiger finde ich den Inhalt der Charta der deutschen Heimatvertriebenen, die 1950 – also keine fünf Jahre nach dem Höhepunkt des erlittenen Unrechts – verkündet wurde. In ihrem Kern enthält sie einen Aufruf zum Verzicht auf Rache und Gewalt und weiters eine Vision, nämlich ein klares Bekenntnis zur Schaffung eines einigen Europas, das zur Verständigung zwischen den Staaten, den Völkern und Volksgruppen führt. Die Charta war zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung am 5. August 1950 eine große moralische Leistung der Vertriebenen, die damals noch nicht wussten, was überhaupt mit ihnen geschehen sollte und wie es weiterging.
Wortwörtlich steht in der Charta: „Wir werden jedes Beginnen mit allen Kräften unterstützen, das auf die Schaffung eines geeinten Europas gerichtet ist, in dem die Völker ohne Furcht und Zwang leben können.“ Diese Worte wurden festgehalten, fast ein Jahr bevor in Paris im April 1951 der Gründungsvertrag zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) unterzeichnet wurde, mit dem der europäische Einigungsprozess begann.
Max Mannheimer, jüdischer Überlebender des Holocaust sagte anlässlich der Verleihung des Karlspreises 2012: Viele Vertriebene haben sehr früh richtig erkannt, dass die Aufarbeitung der Vergangenheit unter dem Aspekt des friedlichen Miteinanders stehen muss und die Lasten der Geschichte nur in einem gemeinsamen Europa überwunden werden können.
In einem langen Prozess hat sich die Hoffnung auf geeintes Europa in Frieden und Verständigung erfüllt. Aber fertig sind wir mit diesem Prozess noch lange nicht – vielleicht auch nie!
Ein wichtiges Ereignis auf diesem Weg war der Fall des eisernen Vorhangs vor 25 Jahren. Damals ist zusammengekommen, was zusammengehört: ein gemeinsames Europa, das jahrzehntelang durch eine Unrechtsgrenze getrennt war. Gerade diese Grenze hat nichts mit Sicherheit, sondern sehr viel mit Angst und Unsicherheit zu tun. Ein gemeinsames, friedliches Europa ist keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen weiter daran arbeiten. Manche plädieren auch heute wieder für mehr Nationalismus. Aber das würde uns in die Sackgasse zurückführen, aus der sich Europa im 20. Jahrhundert unter großen Kraftanstrengungen herausentwickelt hat, eine Sackgasse der Isolation.
Diese europäische Einigung hat uns Frieden und Wohlstand ermöglicht, Gegensätze überwunden und Gemeinsamkeit gestiftet. Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind gestärkt, die Union ist nicht ein bloßes Freihandelsabkommen, ein gemeinsamer Markt, sondern sie wurde zu einer Rechts- und Wertegemeinschaft.
Dies bedeutet, dass die Union über ihren rein wirtschaftlichen Nutzen hinausgewachsen und zu einer Gemeinschaft geworden ist, die bestrebt ist, das europäische Friedensprojekt, Stabilität und Rechtsstaatlichkeit umzusetzen und die Menschenrechte und Grundfreiheiten für alle demokratischen Länder zu verwirklichen. Wir haben mit der europäischen Einigung unsere Lehren aus blutigen Auseinandersetzungen und leidvoller Geschichte – auch die der Sudetendeutschen - gezogen. Wir leben heute miteinander, wie es nie zuvor möglich war.
Oft wird in Europa der herrschende Friede als selbstverständlich, und das Friedensprojekt nicht mehr als ausreichenden Seinsgrund der EU angesehen.
Angela Merkel erinnert in ihrer Rede: „Alleine 2013 flohen weltweit 51 Millionen Menschen vor kriegerischen und gewalttätigen Auseinandersetzungen oder waren wegen politischer, ethnischer oder religiöser Verfolgung gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Wir müssen deshalb unsere Stimme gegen die Vertreibungen von heute erheben Vertreibungen sind immer Unrecht.
Sie sind durch nichts zu rechtfertigen, erst recht nicht durch den Verweis auf eine andere Sprache, Nationalität, Ethnie oder Religion, der die Vertriebenen angehören. Wir müssen Verständnis und Empathie für die Flüchtlinge und Vertriebenen der heutigen Zeit haben. Unsere eigenen geschichtlichen Erfahrungen können uns dabei helfen.“
Die Europäischen Union bleibt ein sich ständig entwickelnder und wandelnder Prozess, der verhindern kann, dass sich Schrecken, wie sie sich auch in der Geschichte des jüngsten 20. Jahrhundert abgespielt haben, wiederholen.
Dazu ist auch wichtig, dass diese – unsere – Geschichte nicht in Vergessenheit gerät. Im Falle des Schicksals der Sudetendeutschen bewahren die Nachkommen der Vertriebenen, die Landsmannschaften, die Erinnerung und schaffen nicht zuletzt durch Veranstaltungen wie heute Bewusstseinsbildung. Dies geschieht nicht zuletzt durch Sie, meine Damen und Herren, und dem jährlich stattfindenden Heimattag.
Bundeskanzler Julius Raab – selbst mit Sudetendeutschen Wurzeln - hat anlässlich seiner Rede am Sudetendeutschen Tag 1959 in Wien gesagt: „Die Geschichte wird einmal die Austreibung der deutsch sprechenden Bevölkerung aus dem Sudetenland nicht auf ein Ehrenblatt der menschlichen Kultur des 20. Jahrhunderts verzeichnen. Die Nachwelt wird diese Aktion ebenso ablehnen wie sie ähnliche Vorgänge in der Geschichte verurteilt hat.
Meine Damen und Herren, heute, 55 Jahre danach, leben wir als Teil der Europäischen Union unter dem Motto „In Vielfalt geeint“. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass sich die Europäer in der EU zusammengeschlossen haben, um sich gemeinsam für Frieden und Wohlstand einzusetzen, und dass gleichzeitig die vielen verschiedenen europäischen Kulturen, Traditionen und Sprachen den gesamten Kontinent bereichern.
So wäre dieses Europa auch ohne die Sudetendeutschen politisch und kulturell viel ärmer. Daher bedanke ich mich für Ihren unermüdlichen Einsatz und wünsche für heute noch ein gelungenes Fest!“
Bildergalerie von der Festveranstaltung in der Babenbergerhalle:
https://www.dropbox.com/sh/znrztukhr15pfqs/AACix4rLXGjiRXmLtKRAjap9a?dl…